Willkommen bei Klaus Kirschbaum in Köln
Willkommen bei Klaus Kirschbaum in Köln

Blumenthal 

Auf den ersten Blick fällt auf, dass hier schon einmal das Leben anders aussah als heute. Klar, hier ist kein Touristengebiet, also nur Landwirtschaft. Aber kein Gutshof oder Gutshaus. Doch immerhin eine kleine Kirche. 

Und hier liegt die Lösung. Es war ursprünglich eine unbewohnte Wildnis, ein Urwald, wie in diesem Kapitel dargestellt, aus: Kurt Haase: "Das vorpommersche Amt Königsholland 1730 - 1818

Die Kolonisation des Gebietes zwischen Uekermünde und Strasburg begann erst unter schwedischer Herrschaft nach 1705 ... Glashütten machten den Anfang, dann wurden sogenannte Vorwerke (eine Art Nebenhof von Gutshäusern) errichtet. Schließlich wurden Kolonisterdörfer errichtet; die Landeigner warben in deutschen Landen um Siedler ... und es gab Gebiete, die zu damaligen Zeiten als "übervölkert" galten. Hofteilungen für die Nachkommen waren nicht mehr möglich, da nach den Teilungen für die jeweilige Familie nicht mehr genug Ertrag zum Überleben blieb. Also war das Werben erfolgreich. Und in der folgenden Chronik hat Kurt Haase (.s.o.) die Geschichte von Blumenthal dargestellt.

"Eine der geschlossenen Pfälzersiedlungen wurde Blumenthal. Der Ort war nach dem späteren

Vizepräsidenten und dirigierenden Minister im Generaldirektorium Joachim Christian Grafvon Blumenthal benannt. An einer großen und breiten Ost-West-Straße, die heute von schönen, alten Bäumen eingefasst ist, waren in angemessenem Sicherheitsabstand der Gebäude 16 Bauern- und 20 Kossätenstellen eingerichtet worden. Der Bauernhof hatte ein Wohnhaus mit einem geräumigen Flur und der anschließenden Küche in der Mitte des Hauses, rechts und links davon liegen 5 Zimmer, eine Kammer und der Aufgang zum Dachboden, der sich über das ganze Haus erstreckt. Hier ist noch ein weiterer Wohnraum ausgebaut, ferner liegen hier die Räucherkammer und Vorratsmöglichkeiten. Der große Hof wird auf der einen Seite von einem Stallgebäude, auf der anderen von einer Scheune eingerahmt. Ein Hausgarten ist neben dem Wohnhaus, an der Straße ein kleiner Ziergarten vorgesehen.

Der erste Schulze in Blumenthal war Conrad Marx dem 1752 Peter Müller folgte. Von 1755 bis 1772 war - mit kurzer Unterbrechung - Peter Hamm der Vertrauensmann und Schulze des Dorfes. Mit wenigen Ausnahmen sind die ursprünglich nach Blumenthal eingewiesenen Pfälzer im Dorf geblieben. Sogar heute leben noch Nachkommen der Einwanderer in Blumenthal. Die Kolonisten verdienten ihren Lebensunterhalt mit Fuhren für die Glashütten, mit der Abfuhr von Nutzholz und durch Mithilfe bei der »Rakdung« des Landes. Der von Bäumen und Sträuchern befreite Boden musste von Stubben, Wurzeln und den vielen im Boden liegenden Steinen gesäubert werden. Aber diese Kultivierungsarbeiten brachten teilweise große Enttäuschungen. Wie bereits erwähnt, drohte in der Gegend von Heinrichswalde - Eichhof - Wilhelmsburg Dünensand alle kostspielige und mühsame Siedlerarbeit zunichte zu machen. Hier am Zarowbach »ertrank man in den Gründen«, in Blumenthal und Sprengersfelde versank man im Sumpf. Die Melioration war unzulänglich. Aber auch sie half nichts gegen den zu Tage tretenden Fuchssand, der völlig unfruchtbar ist. Die Hoffnung, ein landwirtschaftlich besonders gut zu nutzendes Land gewonnen zu haben, wurde buchstäblich zu Wasser. Deshalb wuchs bei den Behörden die Erkenntnis, dass man in diesem Gebiet zu viele Kolonisten angesiedelt hatte.

Man konnte die geplanten und den Siedlern zugesagten Kulturflächen nicht beschaffen. Die

Einwanderer aber drängten darauf, dass ihnen das Versprochene zugeteilt werde. Je länger je mehr fürchteten sie, dass sie ihr mitgebrachtes Vermögen allmählich aufzehren müssten und daß sie eines Tages gezwungen sein könnten, bettelarm das unzulängliche Land zu verlassen. Zahlreiche Hilfeersuchen an die Pommersche Kammer und an den König persönlich blieben im Ergebnis ohne durchschlagenden Erfolg.

Um einen Überblick über das Ergebnis der Rodungsarbeiten im Amt Königsholland bekommen zu können, war es zunächst nötig, das Gebiet kartographisch zu erfassen. Der neue Direktor der Kriegs- und Domänenkammer zu Stettin, v. Sprenger, erteilte daher dem Baurat Knüppel den Auftrag, die Feldmarken zu vermessen. Dieser fertigte eine sorgfältige Karte an, die für die Kammer die Unterlage bildete, den Siedlern ihr Land zuzuteilen und danach die Höhe ihrer Abgaben und den Umfang der von ihnen zu leistenden Dienste auf den Vorwerken festzulegen.

Als sich die Klagen aus allen Siedlungsgebieten in Pommern, insbesondere auch bei dem großen Werk der Oderregulierung häuften, reichten dem König die Berichte seiner Kammer in Stettin nicht mehr aus. Er beauftragte daher im Herbst 1753 seinen Vertrauten, den General Moritz von Dessau alle pommerschen Kolonisationsgebiete zu inspizieren. Auf der Grundlage seines Berichtes folgte eine gründliche Überprüfung jeder einzelnen Klage. Das Ergebnis ist dem König »unter dem datum des 7. Januar 1775« in Berlin vorgelegt worden, in Listenform, die der König besonders schätzte. Diese Liste - und damit die Namen aller angesiedelten Personen - ist im früheren Preußischen Geheimen Staatsarchiv erhalten.

Die Vermessung durch Baurat Knüppel hatte für die in Blumenthal angesetzten Pfälzer zwei

bedeutende Ergebnisse:

1. Das zwischen Blumenthal und Sprengersfelde liegende gute Acker- und Wiesenland wurde der Feldmark von Sprengersfelde zugemessen. Es war von je her von den Wirten Blumenthals genutzt worden. Dieses Land sollte jetzt an die Bewohner von Sprengersfelde heraus gegeben werden,

2. musste seitens des Amtes endgültig festgestellt werden, dass die Bauern von Blumenthal nicht

die jedem versprochenen 75 Morgen Land erhalten konnten, weil so viel Land nicht vorhanden war und keine Aussicht bestand, das fehlende zu kultivieren. Die Bauern von Blumenthal bekamen nur 54 Morgen Acker, Wiesen und Hofland zugeteilt. Zum Ausgleich wurden ihre Praestanda auf 16 Thaler gesenkt. Ihre Dienstverpflichtung zu den Vorwerken blieb aber unverändert. Zwar war diese Forderung zu jener Zeit nicht aktuell, weil die Freijahre bis zum Jahre 1757 verlängert worden waren, aber die Kolonisten wehrten sich unter Berufung auf das königliche Patent vom 28. September 1747 entschieden gegen jede Verpflichtung, Dienste in Form von Hand- und Spanndiensten auf den Vorwerken leisten zu sollen. Während des Siebenjährigen Krieges kam es in dieser Frage zu wiederholten Eingaben der Pfälzer unter Führung der Einwohner von Blumenthal und Heinrichswalde, teilweise sogar in Form gemeinsamer Vorlagen mit der Unterschrift aller Pfälzer-Kolonisten. Sie erreichten aber kaum mehr als einen Schutz vor Zwangsmaßnahmen, die Henrici angekündigt hatte. Das Problem blieb bis zum Ende des Krieges in der Schwebe.

Nach Beendigung des Krieges brach der Konflikt zwischen den Siedlern und dem Generalpächter offen aus. Zwar hatten die Pfälzer inzwischen Haus und Land erhalten, sie waren »etabliert«, jedoch nicht in dem Umfang, der ihnen ursprünglich zugesagt worden war. Die Freijahre waren längst abgelaufen, Dienste aber waren wegen der Kriegsereignisse nicht geleistet worden. Jetzt aber wurde auch der Pächter des Amtes von der preußischen Verwaltung gezwungen, sei nen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. So wurde es unerlässlich, die Vorwerke voll in Betrieb zu nehmen. Dazu waren aber die Dienste der Bauern und Kossäten unbedingt nötig. Sie sollten Dienste in natura erbringen und nicht nur ihre Praestanda in Geld ablösen. Gegen die Ableistung von Diensten durch effektive Hand- und Spanndienste wandten sich die Pfälzer-Kolonisten aller Dörfer gemeinsam. Die Führung des Widerstandes lag in Blumenthal, vornehmlich bei dem Schulzen Peter Hamm, weil Blumenthal der Ort war, der ausschließlich mit Pfälzern besiedelt worden war. Mit Blumenthal erklärten sich die Dörfer Schlabrendorf, Sprengersfelde, Friedrichshagen und Wilhelmsburg solidarisch, zeitweise auch Ferdinandshof, obwohl in diesen Orten vorwiegend Einheimische, Mecklenburger und Schwedisch-Vorpommern angesetzt waren. Lediglich in Heinrichswalde blieb es zu dieser Zeit still, obwohl auch dort vorwiegend Pfälzer angesiedelt waren. Denn hier hatten die Bauern die Bewirtschaftung des Vorwerkes selbst übernommen; sie leisteten sich quasi selbst die geschuldeten Dienste. Die Einzelheiten dieser z. T. dramatischen Vorgänge sind an anderer Stelle ausführlich dargestellt worden und sollen deshalb hier nicht wiederholt werden. Es mag genügen zu erwähnen, dass 1763 Pasewalker Dragoner als Exekutionskommando in die Dörfer geschickt wurden, um die »Rebellen« festzunehmen und nach Stettin in die Haft zu überführen. In Blumenthal leisteten die Kolonisten Widerstand. Das Kommando musste unverrichteter Sache abziehen. Erst ein eingesetztes verstärktes Kommando brach den Widerstand. In der Haft versprachen die »Rebellen«, ihre Pflichten nach dem Dienstreglement zu erfüllen. Sie wirkten nach ihrer Entlassung auch auf ihre Dorfgenossen ein, den Widerstand aufzugeben. Die jahrelangen Anstrengungen der Blumenthaler waren vergeblich gewesen. Man hatte ihnen weniger Land gegeben, als ursprünglich zu gesagt worden war. Die ehemaligen Bauern waren zu Halbbauern herabgestuft worden. Zwar waren auch ihre Abgaben und Dienstpflichten auf die eines Halbbauern reduziert, jedoch ist das bei der Ansetzung Erwartete und Erstrebte nicht Wirklichkeit geworden. Meist hatten sie in diesen schweren Jahren das geringe Vermögen, das sie aus ihrer Heimat mitgebracht hatten, verzehren müssen, um ihre Familien zu erhalten. Die Lage verschärfte sich noch dadurch, daß 1763 und 1764 zwei besonders strenge Winter hintereinander folgten, getrennt von einem abnorm heißen Sommer 1764. Dadurch hatten die Wirte von Blumenthal zwei Missernten. Sie ernteten nicht einmal die Aussaat für das nächste Jahr, von der eigenen Nahrung für sich und das Vieh ganz zu schweigen. Ihre Hilferufe an die Kammer in Stettin und an den König blieben ungehört. Mehr Erfolg hatten die Bewohner von Blumenthal mit der Bitte um ein eigenes Schulhaus. Die meisten Kolonisten gehörten der evangelisch-reformierten Gemeinde zu Pasewalk an. Das bedeutete, dass sie 3 1/2 Meilen nach Pasewalk zum Abendmahl und die Kinder diesen weiten Weg zu Fuß zum Konfirmandenunterricht laufen mussten. Philipp und Peter Winter beantragten daher im Namen aller Reformierten ein Gehalt für einen Prediger, der wenigstens viertel jährlich die Gemeinde bereisen sollte und in der Scharmützelkirche die Hlg. Communion reichen könnte. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Prediger Sack aus Pasewalk bekam 24 Taler für die Reisen nach Blumenthal. Der Gottesdienst wurde in der lutherischen Scharmützelkirche abgehalten. Die nicht unbedeutende Gemeinde Blumenthal wurde eine Filia der reformierten Gemeinde Pasewalk

Auch der beantragte Schulmeister wurde bewilligt. Auf Vorschlag des Pastors Sack wurde der

Pfälzer Johann Conrad Leopold Friedlieb aus Blumenthal zum Schulmeister bestellt. Er war

»ein Schneider von Profession, der im Schreiben, Rechnen und Unterricht der Jugend in den

christlichen Wahrheiten eine ziemliche Fertigkeit« besaß, wie der Pastor ihm bescheinigte.

Am 21. Mai 1764 schlug Johann Caspar Schichlein, der interimistische Schulze von Blumenthal, vor, für den reformierten Schulmeister ein Haus zu bauen. Bei der Schmiede könne ein geeignetes Grundstück zur Verfügung gestellt werden. Das Generaldirektorium ließ daraufhin einen früheren Plan, ein »königliches« Haus als Schulhaus zu verwenden, fallen und bewilligte den Neubau und die erforderlichen Baukosten. Das Bauholz wurde kostenlos bereitgestellt.

Daneben bestand in Blumenthal eine lutherische Schulstelle. Die beiden Schulmeister machten sich in den folgenden Jahren gegenseitig Konkurrenz, jedoch scheint der reformierte der erfolgreichere gewesen zu sein.

1793 wollten die evangelischen Bewohner von Blumenthal auf eigene Kosten eine Kirche er

richten. Sie sollte 400 bis 500 Personen fassen und massiv aus Feldsteinen gebaut werden. Die Einwohner erklärten sich bereit, die erforderlichen Fuhren unentgeltlich auszuführen. Sie beantragten daher bei König Friedrich Wilhelm II ihnen freies Bauholz und eine allgemeine Kirchen- und Hauskollekte zu bewilligen. Die 5 katholischen Familien wollten jedoch nichts mit dem Kirchenbau zu tun haben. Sie feierten die Messe in einer Stube in Blumenthal. Der katholische Küster aus Torgelow besorgte den Gottesdienst. Der König aber verweigerte seine Zustimmung zum Kirchenbau.

1814 lebten in Blumenthal noch 16 reformierte Hausväter und 4 reformierte Hausmütter mit

14 Söhnen und 24 Töchtern. 1818 waren es 38 lutherische Familien mit 60 schulfähigen Kindern und nur noch 7 reformierte Familien mit 13 Kindern; dagegen war die Zahl der katholischen Familien auf 11 angewachsen, die 14 schulfähige Kinder hatten. Die Verringerung der Reformierten gab dem katholischen Geistlichen, Pfarrer Heinevetter aus Stettin, Anlass zu dem Antrag, den reformierten Schullehrer zu versetzen, das Schulhaus mit Garten und dem dazu gehörenden Land dem katholischen Schulhalter zu übergeben, der bis dahin kein eigenes Schulhaus gehabt hatte. Auch dieser Antrag wurde angelehnt. Die beiden evangelischen Schulen in Blumenthal wurden 1820 vereinigt.

Mit dem Bau einer Kirche musste Blumenthal noch lange warten. Sie wurde erst 1914 errichtet und ist am 18. Oktober 1915 eingeweiht worden. Die Gemeinde hatte eine Sammlung veranstaltet, um den Bau zu finanzieren. Die Regierung und der Gustav-Adolf-Verein zahlten Zuschüsse. Die Orgel und die Inneneinrichtung, die aus der alten Kirche in Eggesin stammten, stifteten die Brüder Wilhelm und Paul Gerhardt, deren Vorfahre Nicolas Gerhardt, ein reformierter Pfälzer, 1750 in Blumenthal eine neue Heimat gefunden hatte.

Bei der Bildung des Kreises Ueckermünde im Jahre 1818 hatte das Dorf Blumenthal 372 Einwohner, davon waren 16 Bauern, 19 Kossäten, 3 Ganzbüdner. Nahe Blumenthal wohnte ein Müller, der Sarowmüller, und in der benachbarten Unterförsterei Bevernteich 6 Personen." (Den Text wurde in einigen Teilen der aktuellen Rechtsschreibung und Kommasetzung angepasst).

 

Interessant - und typisch für Mecklenburg und Vorpommern - ist die Tatsache, dass die Inneneinrichtung der Kirche aus dem dem Anfang 20. Jahrhundert innen eingerichtet ist mit Altarmensa, Kanzelkorb und Kirchengestühl aus dem 18. Jh.. Schnitzfiguren um 1500 datiert sind: eine Sichelmadonna und zwei Anna-Selbdritt-Gruppen - wie oben dargestellt - aus Nachbarkirchen.

Oben bei Kurt Haase: "Das vorpommersche Amt Königsholland 1730 - 1818  abgebildete Aufnahmen des Dorfes Blumenthal - ohne Datum, aber wohl 200 Jahre alt ...

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© Klaus Kirschbaum